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Sehnde aktuell

Auf dem Gutshof Rethmar lebt das Große Freie wieder auf

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Das auffälligste Exponat ist eine Kutsche, die bei Schützenumzügen genutzt wurde.

Die Freien durften selbst Gericht halten

Das Große Freie gibt es seit 1859 nicht mehr. Diese Gebietskörperschaft, der einst 14 Ortschaften in den heutigen Kommunen Hannover, Lehrte, Sehnde und Hohenhameln angehörten, ist aber trotzdem gerade in der Stadt Sehnde noch sehr präsent. Schließlich liegen allein zehn der 14 Orte im heutigen Stadtgebiet. Neben der Traditionsgemeinschaft der Reihenstellenbesitzer, die die einstigen Höfe der privilegierten Freien repräsentieren, sind es vor allem die Schützen, die die Tradition am Leben erhalten. Wie das über die Jahre getan wurde, zeigt derzeit das Regionalmuseum Sehnde in seinen Räumen auf dem Gutshof Rethmar. In einer Sonderausstellung hat das Museum historische relevante Stücke zusammengetragen, die das Große Freie im Schützenwesen beleuchtet. Darunter ist auch die Nachbildung der Silbervogelkette, die einst unter den Freien im Wettbewerb ausgeschossen wurde. Im Jahr 1863 wurde der Silbervogelkönig ein letzten Mal bestimmt. Das Original der Kette befindet sich im Historischen Museum Hannover. Als 1963 die Tradition des Silbervogelschießens wiederbelebt wurde, stiftete die damalige Gemeinde Ilten, historischer Sitz der Freien, eine neue Kette, die jetzt in Rethmar zu sehen ist.

Regionalmuseum zeigt eine Sonderausstellung mit historischen Stücken des Schützenwesens

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Im Obergeschoss hängt die Fahne der Freien aus dem Jahr 1863.

Das auffälligste Exponat ist sicher eine Kutsche, die in Millimeterarbeit ins Museum gebracht wurde. Sie stammt aus Haimar und ist eine Leihgabe von Dieter Rose-Borsum, Mitglied im Trägerverein des Museums. Die Kutsche ist über lange Jahre bei Schützenumzügen im Großen Freien genutzt worden. Darüber hinaus sind in der Ausstellung historische Schützenscheiben, Uniformen und viele andere Dinge zu sehen. Im oberen Geschoss beherbergt das Museum, thematisch passend, eine Dauerausstellung über das Große Freie, unter anderem mit der originalen Freienfahne aus dem Jahr 1863.

Das Museum in der Gutsstraße 15 ist sonn- und feiertags von 14.30 bis 17.30 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.

Die Freien durften selbst Gericht halten

Das Wappentier der Stadt Sehnde ist der Löwe. Das ist nicht aus irgendeiner Laune heraus entstanden, sonder hat historische Gründe. Das goldene Raubtier mit der blauen Zunge und den blauen Krallen steht für das Große Freie, eine Gebietskörperschaft, die über Jahrhunderte den Raum zwischen Hannover und Peine prägte. Neben der Stadt Sehnde findet sich der Löwe auch in den Wappen der Ortsteile Höver, Bilm, Ilten, Rethmar, Evern, Haimar, Dolgen, Gretenberg und Klein Lobke. Alle diese Orte gehörten einst zum Großen Freien. Dazu kommen die Orte Anderten (heute Stadtteil von Hannover), Harber (heute im Kreis Peine), Ahlten (zu Lehrte) und als heute größter Ort der Gemeinschaft die Kernstadt Lehrte. Die Gebietsreform des Jahres 1974 hat die Orte des Großen Freien auf verschiedene Kommunen und Kreise verteilt.

Die Gebietskörperschaft


Das Große Freie geht zurück auf die so genannten Freien im Nordwalde, die erstmalig 1236 erwähnt wurden. Dabei handelte es sich um Bauern, die über gewisse Privilegien verfügten. An oberster Stelle stand dabei die eigene Gerichtsbarkeit, die zunächst auf der Gerichtsstätte Hassel bei Müllingen ausgeübt wurde. Später wurde sie nach Ilten verlegt, da das südliche Gebiet der Freien an das Bistum Hildesheim fiel. Heute zeigt ein Schild auf dem Thie in Ilten den Ort der einstigen Gerichtsstätte, aus der 1730 das Amtsgericht Ilten hervorging.

Weitere Privilegien, die die Freien von den Welfen als Landesherren erhielten, waren das Recht, ohne Konzession Handel zu treiben, Grundbesitz zu veräußern, Waffen zu tragen, frei zu jagen und Bier zu brauen. Außerdem waren die Freien fast gänzlich von Abgaben befreit.

Für das heutige Schützenwesen nicht ganz unwichtig ist die Tatsache, dass die Freien vom Kriegsdienst befreit waren. Stattdessen hatten sie zwei Freien-Kompanien zu bilden, die im Kriegsfall mobilisiert wurden. Um kriegstauglich zu bleiben, musste regelmäßig trainiert werden. Zu Pfingsten trafen sich die Freien-Kompanien daher regelmäßig zu Schießübungen. Diese Treffen bilden die Ursprünge des heutigen Schützenwesens in Sehnde und Lehrte. Sie sind auch der Grund, warum die Tradition des Großen Freien heute besonders in den Schützenvereinen hochgehalten wird.

Die Körperschaft des Großen Freien allerdings ist seit 1859 Geschichte. Bis dahin war sie unter dem Namen Amt Ilten eine eigene Verwaltungseinheit im Königreich Hannover und wurde dann ins Amt Burgdorf eingegliedert. Damit verlor das Große Freie nach rund 600 Jahren seine Eigenständigkeit.

Vom Supermarkt in den Pferdestall – das Regionalmuseum Sehnde

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Seit 2006 zeigt das Regionalmuseum Stücke aus der Sehnder Geschichte. Foto: Archiv

Das Regionalmuseum Sehnde in Rethmar ist heute eine zentrale Anlaufstelle, wenn es um das Thema des Großen Freien geht. Hier gibt es eine Dauerausstellung zum Thema und historisch wertvolle Originalstücke wie die Fahne des Großen Freien. 

Die eigene Geschichte des Regionalmuseums ist allerdings eine vergleichsweise kurze. Eröffnet wurde das Haus im Jahr 2006. Zuvor hatte es über Jahrzehnte hinweg Bestrebungen gegeben, die Sehnder Ortshistorie zu sammeln und auszustellen. Den größten Impuls in dieser Richtung kam von der Sehnder Ortsgruppe des Heimatbundes Niedersachsen. Diverse Vorstöße, die deren damaliger Vorsitzende Adolf Thölke unternahm, verliefen aber im Sand. Erst 1999 nahm die Entwicklung Fahrt auf. Damals kaufte der Unternehmer Rainer Digwa den Gutshof Rethmar und war bereit, einem Heimatmuseum Räumlichkeiten zu überlassen. Thölkes Nachfolger beim Heimatbund, Heinz-Siegfried Strelow, der Sehnder Stadtdirektor Dietrich Vollbrecht und der Sehnder Karl-Heinz Schönrock gingen ans Werk, das Museum im ehemaligen Pferdestall des Gutshofs einzurichten, indem sie 2001 einen Trägerverein gründeten. 

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Im Treppenhaus des Museums sind alle Wappen des Großen Freien in Bronze versammelt.

Der erste Vorsitzende hieß Dieter Borsum. Zu dieser Zeit war allerdings noch nicht an einen Einzug in Rethmar zu denken, sodass Zwischenlösungen gefunden werden mussten. So hatten der Verein und seine Sammlung provisorische Standorte in einem ehemaligen Sehnder Supermarkt an der Mittelstraße und, nach dessen Abriss, in zwei städtischen Räumen in Ilten an der Hindenburgstraße. Erst im Jahr 2006 wurde das Museum in Rethmar offiziell eröffnet. Kurioserweise gab es aber dort bereits 2004 am Regionsentdeckertag eine Ausstellung über die Feuerwehr, die mitten auf einer Baustelle zu sehen war. Heute wird der Trägerverein von dem Rethmarer Erhard Niemann geleitet.